Kleingartenverein Oberer See e.V.
Chronik

"Ein Garten ist ein Freund für ein Leben"

Christian Schneider

Der Ursprung der Schrebergärten


Die Entstehung von Kleingärten in Deutschland ist verknüpft mit der Industrialisierung, und damit verbundenen Verstädterung am Anfang des 19. Jahrhunderts. 

Eine der drei wohl bekanntesten Wurzeln fand das Kleingartenwesen in den sog. „Schrebergärten“ der Stadt Leipzig. Ende des 18. Jahrhunderts wurde dort ein Verein für den Bau- und Erhalt von Kinderspielplätzen gegründet, welcher nach dem Tod des Arztes Dr. Gottlob Schreber zu seinen Ehren benannt wurde. 

Schulkinder konnten dort unter Betreuung kleine Gärtchen anlegen, und so säen und ernten erfahren. Aus den Kinderbeeten wurden bald Familiengärten. 

Der Schrebergarten ist heute Synonym für Kleingärten, und reiht sich somit in die Riege einiger Wortbezeichnungen wie Laube, Heimgarten, Familiengarten oder auch Parzelle ein.

Nach dem ersten Weltkrieg

In den Notjahren nach dem ersten Weltkrieg stand vor allem die eigene  Nahrungsmittelproduktion von Anfang an im Vordergrund. So kam es auch im Jahre 1920 zur Gründung unseres Vereines in Karlsruhe. Es entstanden einst 187 Parzellen auf einem 6,3ha großen Gelände im Teilbereich des ehemaligen offenen Landgraben im Stadtteil Mühlburg, und entlang der Scharnhorststraße (heute Siemensallee). Auf diesem Gelände befanden sich zu der Zeit nur Äcker und Wiesen, sowie der Sportplatz des Karlsruher Turnvereins e.V. 1846 an der Neureuter Straße.


Der zweiten Weltkrieg

Kurz vor dem zweiten Weltkrieg, in den Jahren 1938/39 wurde ein Teil des Geländes dann in eine sogenannte Musteranlage umgewandelt, woraus anschließend sogenannte Kriegsgärten entstanden. Grüne Zufluchtsorte in mitten der Zerstörung, um die Versorgungsprobleme der Bevölkerung zu mildern. Teilweise wohnten sogar die Menschen im Bombenkrieg übergangsweise in ihren winterfest gemachten Lauben. Der Krieg hatte bis 1945 weite Teile von Karlsruhe, wie ganz Deutschland, und natürlich auch Teile unserer Anlage in Trümmer gelegt. Wohnungsnot, Hunger und Elend kennzeichneten die ersten Jahre nach dem Krieg. Es hieß enger zusammenrücken, sich gegenseitig zu unterstützen, und das Vereinsleben neu aufzubauen. So entstand in den Jahren 1947/48 das erste Vereinsheim als zentraler Anlaufpunkt im Gelände.


Die Nachkriegszeit

Die Nachfrage einen Kleingarten zu pachten, war in der Bevölkerung auch in den darauffolgenden Jahren groß. So begrüßte es die damalige Vorstandschaft, dass in Gesprächen mit der Stadt Karlsruhe, Anfang 1956 vereinbart werden konnte, dass die Grünstreifen entlang der Steuben- und Herzstraße mit in das Kleingartengelände aufgenommen werden, und in zusätzliche Parzellen umgewandelt werden konnten.


Das Wirtschaftswunder

Der Aufschwung der Wirtschaft nach dem Krieg brachte jedoch auch einen nötigen Ausbau der Infrastruktur in Karlsruhes Westen mit sich. Dafür mussten 47 Gärten im Jahr 1961 dem Ausbau der Siemensallee, sowie den Straßenbahnschienen mit Wendeschleife an der Neureuter Straße weichen. Immerhin erhielt der Verein dafür einst von der Stadt Karlsruhe eine Entschädigung von DM 7.983.-, welche entsprechend anteilsmäßig an die Pächter der Parzellen ausbezahlt werden konnte. Natürlich nur ein „Tropfen auf den heißen Stein“ pro Garten, wenn man gerade den ideellen Wert eines Kleingartens betrachtet.

In den Nachkriegsjahren hatte Otto Rastätter den Verein geführt, welcher sein Amt am Ende der 50er Jahre an Albert Janz übergeben hatte. Dieser führe den Verein dann über ein Jahrzehnt bis Anfang der 70er Jahre weiter.

In freiwilliger Leistung der Mitglieder, wurde in rund 1.100 Arbeitsstunden das bestehende Vereinsheim im Jahre 1963 umgebaut, und dabei auch um ein ordentliches Vereinsbüro erweitert. Leider bot das dann 4x6m große Gebäude trotz dem Arbeitseinsatz immer noch nicht genügend Platz für Zusammenkünfte oder Veranstaltungen. 



Neubau Vereinsheim

So begann unser ehemaliger Gartenfreund und Architekt Günter Sattler 1965 im Auftrag der Vorstandschaft schon mit der Planung der Konstruktion für einen kompletten Neubau.

Der Startschuss für den Neubau fiel dann 1966, wieder brachten sich die Mitglieder des Kleingartenvereins mit ihrem freiwilligen Arbeitseinsatz ein. Rund DM 40.000.- für Baumaterial wurden aus eigenen Mitteln investiert. Unterstützung bekam der Kleingartenverein einst auch von Mitgliedern der Bayern- und Trachtenvereinigung Weißblau Almfrieden, welche über 2.000 Arbeitsstunden und DM 1.400.- für Baumaterial beisteuerte.

Nach rund zweijähriger Bauzeit konnte am 20. Juli 1968, im Rahmen einer Feierstunde, das neue Gebäude inmitten der Anlage der Bestimmung übergeben werden. Fortan wurde dieses nicht nur vom Verein selbst, sondern auch von anderen umliegenden Vereinen genutzt.

 mehrtägige Vereinsausflüge.

Erweiterungen, Strom & Wasser

Günter Sattler wurde im Jahre 1971 zum ersten Vorsitzenden des Vereins gewählt, führte den Verein über 40 Jahre ununterbrochen, bis er 2012 durch Willi Böhm abgelöst wurde. Sattler setzte sich für das Wohl des Vereins und seiner Mitglieder mit großem Engagement ein. Er war Motor für mehrere in den folgenden Jahren erfolgte Erweiterungsbauten des Vereinsheims, Erneuerungen der Wasserleitungen und für Verstromung der gesamten Anlage in den Jahren 1983 bis 88. Er hatte immer ein offenes Ohr für Fragen rund um den Laubenbau, oder sonstige Anliegen der Mitglieder, und organisierte zahlreiche mehrtägige Vereinsausflüge.



„s‘isch wieder schee im Oberer See“

Viele in der Nachbarschaft erinnern sich sicher noch an die zahlreichen legendären Veranstaltungen, anlässlich des traditionellen Maibaumstellens, oder die Sommerfeste, welche im und um das Vereinsheim stattfanden. Dies hatte den Verein sogar dazu veranlasst, ein Gestänge für ein 12x16m großes Festzelt im Biergarten fest zu installieren, so dass bei der Vorbereitung für die Veranstaltungen nur noch die Planen aufgezogen werden mussten. Öfters wurde auch gemeinsam mit anderen Vereinen über mehrere Tage gefeiert, man sprach von 

„d‘ Mühlburger Wies’n“ und dem Slogan „s‘isch wieder schee im Oberer See“ entstand, welcher bis heute Bestand hat.

Auch war die Vereinsheim-Gaststätte in den 80er und 90er Jahren bis über die Grenzen von Karlsruhe hinaus bekannt für den in die Kleingarten-Oase eingebetteten großen Biergarten. Wöchentliche Tanzveranstaltungen fanden statt, bei welchen bekannte Duos und Trios alles außer Hard-Rock und Disco-Musik gespielt haben. Bei wechselnden Aktionswochen wurden preisgünstige Schmankerln angeboten. Monatlich wurde sogar Preisskat mit großartigen Gewinnen gespielt, und regelmäßig trafen sich die Leute zum Frühschoppen oder Stammtisch im Lokal.

Heute 

Seit 2015 steht dem Verein Christian Schneider vor, der Verein zählt aktuell 245 Mitglieder, bzw. Parzellen und gehört zu den größeren in Karlsruhe. Eigentlich wollten wir in diesem Jahr anlässlich des Jubiläums für die Mitglieder und Freunde des Vereins ein großes Geburtstagsfest veranstalten sagte er, doch dann machte uns Corona einen Strich durch die Rechnung. Leider mussten wir entscheiden, dass unser Sommerfest anlässlich des 100-jährigen Bestehen des Vereins nicht stattfinden wird, und verschoben werden muss.



Nachwuchssorgen in Bezug auf die Mitgliederzahl macht sich Christian Schneider keine. Gerade in den letzten Tagen haben vermutlich bedingt durch das schöne Frühlingswetter, und die verordneten Ausgangsbeschränkungen, über 30 Familien dazu veranlasst, bei unserem Verein nach einem freien Garten zu fragen, und sich auf die Warteliste setzen zu lassen. Die Wartezeit zur Übernahme eines Pachtgartens beträgt derzeit jedoch mehrere Jahre, denn die Warteliste war auch schon vor diesem Frühjahr sehr sehr lang äußert der Vorsitzende.

Heute steht bei den meisten Pächtern und Interessenten nicht mehr unbedingt die Nahrungsmittelerzeugung und die Gemeinschaft im Vordergrund. Die Parzelle soll für viele eher eine grüne Oase zum Ausgleich für den heute schnelllebigen Alltag und einen Ort der Begegnung darstellen.

Die Bereitschaft sich aktiv in das Vereinsleben einzubringen, wie z.B. an Gemeinschaftsarbeiten teilzunehmen oder bei Veranstaltungen zu unterstützen fehlt leider häufig. Er erwähnt abschließend, dass so ein Garten mit der ordnungsgemäßen Bewirtschaftung, welche die notwendige Pflege beinhaltet, eine große Anforderung an die zur Verfügung stehende Freizeit stellt. Ein Garten ist „ein Freund für ein Leben“ sagt er. Man sollte also sorgfältig überlegen, bevor man die Entscheidung trifft einen Garten zu übernehmen, denn dies ist eine Entscheidung, welche die ganze Familie betrifft, und auch mittragen muss.

Im Namen der Vorstandschaft

Stefan Rössler